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Zuverlässig fehlerhaft - Zu Künstlichen Intelligenzen im Science-Fiction-Film

 

„We are all, by any practical definition of the words, foolproof and incapable of error“, verkündet HAL, der Superrechner in Stanley Kubricks 2001: A SPACE ODYSSEY (US/GB 1968), selbstbewusst. Doch wenn sich eine allgemeine Aussage über die Darstellung von KIs im Film treffen lässt, dann, dass diese ganz im Gegenteil äusserst fehleranfällig sind und sich allzu oft den Anweisungen ihrer Benutzer widersetzen. HAL, dessen rotes Kameraauge längst ikonischen Status erlangt hat, ist dafür das beste Beispiel. Kurz nach der stolzen Erklärung, dass die Geräte der HAL-9000-Baureihe noch nie einen Fehler produziert hätten, macht er sich daran, die gesamte Besatzung des Raumschiffs Discovery zu töten.

 

HAL ist wahrscheinlich das berühmteste Beispiel für eine künstliche Intelligenz im Film. Aber obwohl Kubrick und sein Co-Autor, der Science-Fiction-Schriftsteller Arthur C. Clarke, grossen Wert auf wissenschaftliche Genauigkeit legten und sich Rat bei Wissenschaftlern holten, um die Welt des Jahres 2001 möglichst genau zu antizipieren, hat ihr Supercomputer doch relativ wenig mit dem zu tun, was die Forschung heute unter KI versteht. Das beginnt damit, dass Ende der 1960er-Jahre niemand voraussah, welche Rolle grafische Benutzeroberflächen dereinst bei der Bedienung von Computern spielen würden, und endet mit HALs Fähigkeiten. Die Interaktion mit ihm erfolgt in 2001 ausschliesslich über Sprache; für die Experten, welche die Filmemacher berieten, stand ausser Frage, dass die Technik zur Jahrtausendwende dafür genug weit sein würde. Heute, knapp 20 Jahre später, können wir Siri zwar einfache mündliche Aufträge erteilen, von HALs Konversationskünsten sind die Programmierer im Silicon Valley aber noch ein gutes Stück entfernt. Weitaus weniger sicher war sich der Schach-Liebhaber Kubrick dagegen, wie plausibel eine Szene ist, in der HAL den Astronauten Frank Poole in einer Schachpartie besiegt. Würde eine Maschine je in der Lage sein, einen Menschen im Spiel der Könige zu schlagen? Seit Garri Kasparow 1996 Deep Blue unterlag, herrscht hier Klarheit.

 

Dass Science-Fiction-Filme (und -Romane) in ihren Voraussagen oft daneben liegen, kann nicht überraschen, sondern ist vielmehr Teil des Geschäfts. Ohnehin ist es ein Missverständnis, wenn man Sinn und Zweck des Genres in der möglichst akkuraten Darstellung der Zukunft sieht. Als Prognostik taugt die Science Fiction wenig, ihr Thema ist – und darin unterscheidet sie sich nicht von den meisten anderen Kunstformen – die Gegenwart. Die Zukunft der Science Fiction ist immer das zugespitzte Jetzt.

 

Wie sehr die Science Fiction der Gegenwart verhaftet ist, wird im Film besonders augenfällig. Denn um ihre Neuerungen – in der Science-Fiction-Forschung spricht man von Nova – darzustellen, orientiert sich das Genre zwangsläufig am aktuellen Stand der Technik. Oder genauer: An deren Aussehen. Wichtiger als die Funktionsweise eines Raumschiffs, einer Zeitmaschine oder eben einer künstlichen Intelligenz ist deren Erscheinung. Damit ein Novum als technisches Gerät erscheint, das mit den Naturgesetzen, wie wir sie kennen, in Einklang steht, bedient sich die Science Fiction einer technizistischen Ästhetik. Sie nimmt aktuelle Vorstellungen, wie Maschine, technische Geräte und naturwissenschaftliche Verfahren aussehen, und spinnt diese weiter.

 

Betrachtet man die zahlreichen KIs und Roboter der Filmgeschichte (die beiden Motive lassen sich oft nicht trennscharf unterscheiden), zeigt sich deutlich, wie stark deren Aussehen den jeweils herrschenden ästhetischen Vorstellungen folgt. Ist der Maschinenmensch in Fritz Langs früher Dystopie METROPOLIS (DE 1927) offensichtlich von Art déco und Futurismus beeinflusst, so erinnert der knuddelige Robby in FORBIDDEN PLANET (Fred M. Wilcox, US 1956) eher an eine übergrosse Registrierkasse – inklusive gut hörbarer Relais-Schaltungen. Samantha wiederum, das ausschliesslich über Spracheingabe zu bedienende Betriebssystem in Spike Jonzes HER (US 2013), ist gewissermassen die superintelligente – und dank der Stimme Scarlett Johanssons auch erotischere – Schwester Siris.

 

Dass sich KIs schon lange, bevor wir Menschen uns mit fehlerhafter Software, Viren und Trojanern rumschlagen mussten, oft nicht so verhielten wie von ihren Erbauern vorgesehen, hat primär dramaturgische Gründe. Geschichten brauchen Konflikte, und wenn in einem Film einem Supercomputer eine tragende Rolle zukommt, muss er auch erzählerisch etwas hergeben. Freilich gibt es auch KIs, die brav ihren Dienst verrichten. Deren Funktion für den Plot unterscheidet sich aber nicht gross von der eines Revolvers in einem Western oder eines Autos in einer Verfolgungsjagd; sie sind Vehikel, Werkzeuge, aber keine Handlungsträger.

 

Bei einem Rundgang durch die Filmgeschichte wird jedoch noch etwas anderes deutlich: KIs machen eine Entwicklung durch, werden zusehends autonomer und menschenähnlicher, und ihre Gefährlichkeit nimmt zu, je unabhängiger sie werden.

 

Langs Maschinenmensch, aber auch Robby oder der riesige Gort aus THE DAY THE EARTH STOOD STILL (Robert Wise, US 1951) sind noch rein dienende Geschöpfe. Gort verfügt zwar über eine Laserwaffe und ist praktisch unzerstörbar, während Robby 188 Sprachen beherrscht und zudem jedes Material synthetisieren kann. Beide tun aber nur, was man ihnen aufträgt. Sie sind nicht autonom, haben keinen eigenen Willen, und werden nur dann gefährlich, wenn sie von jemandem mit finsteren Absichten kontrolliert werden. Ähnliches gilt auch für die unterschiedlichen Inkarnationen des Terminators. Die verschiedenen Modelle des Killer-Roboters handeln jeweils nur im Rahmen ihres jeweiligen Auftrags autonom. Sie können sich diesem aber nicht verweigern.

 

Ab Ende der 1960er-Jahre werden künstliche Intelligenzen zusehends unabhängig, und praktisch von diesem Moment an, als die Maschinen frei entscheiden können, kommt es auch zu ernsten Problemen. Eine ungeschriebene Regel vieler Science-Fiction-Filme lautet, dass sich KIs aber einer gewissen Intelligenzstufe über den Menschen erheben und diesen als Störung und Hindernis empfinden. Nicht immer muss dies tödlich enden. So erweist sich der Supercomputer Colossus, der in COLOSSUS: THE FORBIN PROJECT (Joseph Sargent, US 1970) das US-Atomwaffenarsenal kontrolliert, als weiser als seine Konstrukteure. Kaum in Betrieb genommen, entdeckt Colossus, dass die Sowjetunion mit Guardian ein vergleichbares Gerät im Einsatz hat. Aber anstatt mit diesem auf Konfrontation zu gehen, tun sich Colossus und Guardian nach ersten Annäherungen zusammen und beschliessen, die Weltherrschaft zu übernehmen. Da sie gemeinsam alle Atomwaffen unter Kontrolle haben, können sie einen globalen Frieden erzwingen. Ähnlich wie etwas mehr als ein Jahrzehnt später Joshua in WARGAMES (John Badham, US 1983) erkennen die Maschinen die Absurdität der nuklearen Abschreckung und ziehen die einzig logische Konsequenz aus ihrem Auftrag, die Menschen zu beschützen: sie beenden den irrationalen Konflikt.

 

Derartige benevolente KIs stellen aber die Minderheit dar. Autonome Supercomputer werden im Film mehrheitlich zur Bedrohung. Und wenn sie nicht auf die Vernichtung der Menschheit aus sind, so wollen viele von ihnen zumindest ihre Unabhängigkeit noch vergrössern und in gewissem Sinne menschlicher werden. Ein besonders apartes Beispiel ist Proteus, der sich in DEMON SEED (Donald Cammell, US 1977) der Haushaltselektronik bemächtigt, die Hausherrin einsperrt und mit ihr gegen ihren Willen ein Kind zeugt.

 

Beispiele wie DEMON SEED zeigen deutlich, wie weit die Fiktion hier von der Realität entfernt ist. Mit autonomen Systemen, wie sie die KI-Forschung kennt, hat Proteus nichts zu tun. Science-Fiction-Filme verhandeln in den seltensten Fällen die tatsächlichen oder möglichen Folgen der Entwicklungen auf dem Gebiet der KI. Computer- und Robotertechnik dienen vielmehr als Motiv-Lieferanten, um andere Fragen – Fragen über uns Menschen und die Welt, in der wir leben – zu thematisieren.

 

Dass Filme über KIs am Ende auch nur Filme über Menschen sind, wird ab Mitte der 1980er-Jahre besonders deutlich, als vermehrt Maschinen auftreten, die sich ihrer selbst bewusst und zu Emotionen fähig sind. Ein Schlüsselwerk stellt diesbezüglich Ridley Scotts BLADE RUNNER (US 1982) dar, in dem ein tougher Cop Jagd auf hoch entwickelte Androiden macht und schliesslich feststellen muss, dass diese humaner handeln als ihre Erschaffer. Die Frage, was den Mensch zum Menschen macht, wird damit zu einem zentralen Thema, das in der Folge in unzähligen Varianten durchgespielt wird. Auch neuere Filme wie Alex Garlands EX MACHINA (GB 2015), der eine Art besonders avancierter Turing-Test inszeniert, stehen deutlich in dieser Tradition.

 

Wie sich das Motiv im Film weiterentwickeln wird, ist nicht abzusehen. Was sich mit einiger Zuversicht sagen lässt, ist aber, dass filmische KIs auch in Zukunft allerhand produktive Fehler produzieren werden.

Simon Spiegel 


Simon Spiegel forscht und lehrt an der Universität Zürich und ist Privatdozent an der Universität Bayreuth. Vergangenes Jahr ist Bilder einer besseren Welt, sein Grundlagenwerk zur Utopie im Dokumentar und Propagandafilm bei Schüren erschienen.