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Militärstrategische Ebene: Multidomain-Kultur (Blog-Serie Teil 3)

Der Multidomain-Ansatz liefert Antworten auf der Suche nach neuen Resilienzformen in einer unsicheren, mehrdeutigen und komplexen Welt. Dieser Ansatz ist umfassend und holistisch zu verstehen, indem Multidomain diverse Bereiche wie Technologie, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft miteinschliesst. Entsprechend darf dieser ursprünglich militärisch geprägte Begriff nicht alleine in einem sicherheitspolitischen Kontext verstanden werden. Multidomain hat in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zunehmend eine strategische Bedeutung.


Die Multidomain-Kultur sollte demnach auch auf militärstrategischer Ebene Einzug halten und entsprechend muss ein holistisches Sicherheitsverständnis erarbeitet werden. Sicherheit wird dabei als Verbundaufgabe unterschiedlichster Akteure gesehen, wobei nicht nur die streitkräfteinterne Vernetzung eine Rolle spielt, sondern auch die Verknüpfung mit klassischen Bereichen wie Industrie, Politik und Verwaltung wieder wichtiger wird. Darüber hinaus wird es aber zentral sein, engere Beziehungen mit der Wissenschaft, der Startup- und Kulturszene und der Zivilgesellschaft (z.B. Think Tanks) aufzubauen, um dem Multidomain-Ansatz gerecht zu werden.

 

Eine Extremform, die beispielsweise in China aktiv praktiziert wird, stellt die Civil-Military-Integration oder Civil-Military Fusion dar. Bei diesen Konzepten verschwinden die Grenzen zwischen Militär, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft teilweise komplett. Dies entspricht aber nicht mehr dem Multidomain-Geist, sondern gleicht eher einer Top-Down-Kultur.

Zur Etablierung einer neuen Austausch- und Vernetzungskultur, gibt es für die Schweiz und ihre sicherheitspolitischen Akteure verschiedene Möglichkeiten:

  • Aufbau und Förderung von staatsunabhängigen Think Tanks
  • Proaktive Military Science Diplomacy
  • Austauschprogramme mit der Industrie, Startups, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Think Tanks, anderen Verwaltungseinheiten und Armeeteilen
  • Arbeiten in Coworking Spaces und Aufbau eigener Coworking Zonen
  • Neue und thematisch vielseitige Verbindungsbüros (z.B. Innovation Hubs) gründen, ähnlich wie der Cyber-Defence Campus oder das Center for Military Medical Ethics UZH
  • Dynamisierung des Verbunddenkens durch bereits sehr übergreifende und digitalisierte Anwendungen wie Drohnen, (Satelliten-)Bildauswertung, Robotik und Künstliche Intelligenz, etc.
  • Der Multidomain-Ansatz lässt sich auch akademisch anregen, indem beispielsweise an der MILAK, ETH oder HKA interdisziplinäre Forschungs-, Unterrichts- und Weiterbildungselemente für ein holistisches Verständnis für Geopolitik, vernetzte Sicherheitspolitik, Antizipation, Führung und Verantwortung im Sinne der Intelligence Studies etabliert werden.                     

Gerade das Milizsystem dient dabei als gute Multidomaingrundlage und ist, wie grundsätzlich dezentrale Strukturen, systematisch für Innovation, Vernetzung und Austausch zu nutzen. So legen wir nahe, die Miliz ebenso als Stachel zu betrachten, welcher unbequeme Fragen stellen kann, aber auch neue Ideen einbringen darf und soll. Somit ist sie als Bindeglied zwischen verschiedenen Sphären zu nutzen, indem insbesondere und gezielt die Zivilgesellschaft stärker eingebunden wird.

In den Vereinigten Staaten wurde 2015 die Defense Innovation Unit (DIU) gegründet, um dem US-Militär zu helfen, aufkommende kommerzielle Technologien schneller zu nutzen. Solche Innovationsexperimente, wie es das Pentagon bezeichnete, sind anzustreben. Hierbei ist es aber wichtig, nicht nur auf technologische Innovationen zu setzen, sondern eben auch auf unternehmerische sowie sozioökonomische und -kulturelle Innovation im umfassenden Sinn. Unter sozioökonomischer Innovation versteht man in der Soziologie und im Innovationsmanagement den Prozess der Entstehung, Durchsetzung und Verbreitung von neuen Interaktionsmöglichkeiten, neuen Organisationsausprägungen, Methoden sowie Arbeits- und Zusammenarbeitsformen. Der Service, also Dienstleistungscharakter, sowie der Communitygedanken (vgl. Ökosysteme) stehen dabei im Fokus.

Der 4. Teil unserer Blogserie wird die geopolitische Perspektive von Multidomain beleuchten.

SIGA arbeitet aktuell an einer umfassenden Studie zum Begriff Multidomain. Die Studie wird im Frühjahr 2021 publiziert. 

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