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Solar Silk Road – Chinas Weltraumgeopolitik


Parallel zu den klassischen Routen der Belt-and-Road Initiative (BRI) investiert China in neue und zukunftsträchtige Seidenstrassen. Es geht um die Polar Silk Road (Arktis), die Digital Silk Road (Cyber) und die Solar Silk Road (Weltraum). Bei diesen hintergründigen Silk Roads geht es vor allem um Technologievorherrschaft, politische Deutungshoheit aber auch um Symbolpolitik. Mit der Erstlandung auf der Mondrückseite anfangs 2019 präsentierte China die diesbezügliche Stärke im Weltraum. Die Meisterleistung Chinas mit der Forschungssonde Chang’e 4 hat die restliche Welt aufgeschreckt. Dieser Durchbruch schaffte China aber zugleich auch Sympathien, denn der Weltraum wirkt verbindend und inspirierend. Auf diese Politik setzt China gezielt: Wissenschaft, Technologie, Fortschritt, Frieden und Kooperation sind positive Symbole und machen das Vordergründige der Solar Silk Road aus.

Neue Raumstation

Eine geplante chinesische Raumstation wird bereits als Nachfolge der International Space Station (ISS) gehandelt. Dabei werden voraussichtlich Wissenschaftsprojekte von vielen Institutionen aus zahlreichen Ländern in einer ersten Phase des chinesischen Vorhabens mitmachen; dazu gehören Staaten wie die Schweiz, Polen, Deutschland, Italien, Norwegen, Frankreich, Spanien, Holland, Indien, Russland, Belgien, Kenia, Japan, Saudi-Arabien, Mexiko und Peru.

Die neue Raumstation soll den simplen Namen Grosse Raumstation tragen. Sie lädt zum Partizipieren ein, stärkt aber gleichzeitig die strategische Position Chinas – derselbe Gedanke wie bei den klassischen Seidenstrassen. Währenddessen sprechen die NASA und die ESA von einer kleinen Raumstation in der Mondumlaufbahn, was eine ganz andere symbolische Wirkung hat. China hat grosse Visionen und ist determiniert, diese auch umzusetzen. Das Reich der Mitte ist nahe daran, im Weltraum die Vorreiterrolle zu übernehmen.


Monddorf und Mars-Roboter

Im letzten Jahr holte China mit der Sonde Chang'e 5 erstmals seit 1976 Mondgestein auf die Erde zurück. Geplant ist aber noch viel Grösseres, zum Beispiel eine lunare Infrastruktur (Monddorf) mit bemannten Missionen ab 2030 und Kooperationen vor allem mit der NASA und ROSKOSMOS, den Weltraumorganisationen der USA und Russland.

Mit dem geplanten Aufbau einer lunaren Relais- und Navigationssatelliten-Konstellation soll auch die Kommunikation zur Erde und auf dem Mond verbessert werden. Die Sonde Chang’e 4 hatte zudem auch Saatgut geladen. Damit soll geprüft werden, ob Gemüseanbau bei der niedrigen Schwerkraft des Mondes möglich ist. Dies sind deutlich Zeichen für die Expansionspolitik Chinas im Weltraum.

Mit der Expansion zum Mond alleine gibt sich China jedoch nicht zufrieden. Die Tianwen-1 Mission ist seit Februar 2021 in der Umlaufbahn des Mars angekommen. Lander und Rover sollen in den kommenden Monaten landen. Die US-Mission ist bereits im Februar 2021 erfolgreich gelandet und kam den Chinesen zuvor. Nichtsdestotrotz kann China demonstrieren, dass es mit der historisch grossen Weltraumnation USA mithalten kann.

Nicht vergessen darf man, dass solche Missionen auch Technologietreiber sind. Sie dienen unter anderem der Forschung und Entwicklung von neuen Technologien, beispielsweise Künstlicher Intelligenz, neuen Solarzellen, Wasserstofftechnologie oder 3D-Druck. So kann zu gleich das Image Chinas verbessert werden, aber subtil auch die tatsächliche Stellung in der Weltpolitik betont werden.

Satellitentechnologie

Neben den symbolträchtigen Mars- und Mondmissionen installiert China auch sein eigenes globales Satellitennavigationssystem. Es geht um die Cyber- und Digitalinfrastruktur der Zukunft. Diese und andere Satellitenkonstellationen werden zur Kommunikation, Navigation und Überwachung eingesetzt. Sie sind für die Logistik und Sicherheitspolitik nicht mehr wegzudenken. Somit erhöht China wohl oder übel auch die Abhängigkeit vieler anderer Nationen, die keine eigenen Satellitensysteme besitzen. Diese Daten und Konnektivitäten bedeuten Macht.

MILITARISIERUNG

Die Überschneidungen zwischen zivil und militärisch sind in der chinesischen Politik gross, dies gilt auch für den Bereich der Raumfahrt. Wie in der folgenden Grafik ersichtlich, gehört der neu gebildeten Strategic Support Force (SSF) der People’s Liberation Army (PLA) auch ein umfassendes Space Systems Department an. Dazu gehört auch die China Astronauts Group. Interessanterweise werden in dieser Einheit die Bereiche Weltraum, Cyber, Elektronische Kriegführung, Nachrichtendienst und psychologische Operationen unter dem Stichwort informationsgetriebene Kriegführung zusammengefasst. Dies zeigt die ambigue Weltraumstrategie, die China verfolgt. Einerseits geht es um die symbolische Wirkung nach aussen, anderseits aber auch um Technologie, Geopolitik und militärische Stärke.