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Digitalhypes entschlüsseln

Digitale Hypes produzieren unbewusst oder bewusst Missverständnisse und Uneindeutigkeiten. Es geht mitunter auch um gezieltes Marketing. Für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entscheidungsträger lohnt es sich aber, hinter die Fassade der Buzzwords und Marketingbegriffe zu schauen, um clevere Lösungen und Strategien im Umgang mit neuen Technologien und Medien zu finden. Wir erklären beispielhaft die Welten um Social Media, Metaverse und Blockchain.


Alles ist heute Social Media

Social Media ist zum Überbegriff für zahlreiche digitale Phänomene geworden. Dies führt dazu, dass heute sehr unterschiedliche Anwendungen mit verschiedenen Sachlogiken in einen Topf geworfen werden, die konzeptionell zu trennen wären. Hier ein Vorschlag einer ausdifferenzierten Konzeption:

Als klassische soziale Medien können Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter oder LinkedIn bezeichnet werden. Bei diesen Netzwerkplattformen geht es aus konzeptioneller Sicht vor allem darum, sich mit Freunden und neuen Kontakten zu vernetzen und sich auszutauschen. Es werden ausserdem Communities und Interessengruppen gebildet mit dem Ziel, unter Gleichgesinnten zu kommunizieren. Bei den «klassischen» Plattformen werden vor allem Nachrichten, Fotos und Videos ausgetauscht. Ursprünglich stand also die Verbindung von Freunden, Bekannten und Personen mit ähnlichen Interessen im Vordergrund. 

Daneben entwickelten sich interessenbasierte Anwendungen, für die etwa das chinesische TikTok oder YouTube stehen. Hier herrscht ein starker Wettbewerb der Inhalte vor und es stehen Follower- und Klickzahlen im Fokus. Das Konzept dieser Apps konzentriert sich auf die Unterhaltung und den passiven Konsum der User. Algorithmen erarbeiten ein massgeschneidertes Programm, welches sich permanent an die Präferenzen des Nutzers anpasst. Es werden Kurzvideos, Fotos und Memes präsentiert, die den Interessen des Nutzers entsprechen; diese werden nicht nur von gefolgten, sondern auch von anderen Accounts mit ähnlichen Inhalten bezogen. Die Gruppe der Konsumenten ist hier enorm gross, während es eher wenige grosse Produzenten für die einzelnen Angebotsnischen gibt.

TikTok, aber auch YouTube, wachsen immens schnell, während Facebook 2022 Gewinneinbussen vermelden musste. [1] Aufgrund dieser Entwicklungen verwundert es nicht, dass sich aktuelle Entwicklungen von Facebook oder Instagram, also der «klassischen» sozialen Medien, an den Funktionsweisen von z.B. TikTok orientieren. [2] Die Anlassung von Algorithmen und die Gewichtung von Empfehlungen und Werbung gegenüber Freunden ist schon länger eine Herausforderung für die klassischen Akteure. Der Unterhaltungswert steht mittlerweile im Zentrum auch dieser Anwendungen. Gleichzeitig sind und bleiben Social-Media-Konsumenten wichtige Werbekunden der Produzenten auf den Plattformen und die persönlichen Aktivitäten und Interessen dienen einer breiten Datensammlung.

Da sich die «klassischen» sozialen Medien weg von ihrer ursprünglichen Aufgabe der Vernetzung und des Austausches entwickelten, weichen viele Nutzer zunehmend auf Messengerdienste und Communityplattformen aus, um sich über (semi-)private Dinge auszutauschen. Es werden beispielsweise WhatsApp, Signal und Telegram oder Discord und Slack für Communities genutzt.

Mit der neuen Entwicklung von Metaverses (oder einem Metaverse) bekommt das gesamte Feld nun eine neue Dimension, bei der es spannend bleibt, welche Funktionsweisen im Zentrum stehen werden.

Metaverse als Sammelbegriff für virtuelle Zukunftswelten

Auch im Bereich digitaler Zukunftswelten wird keine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Anwendungen getätigt, sodass der Begriff «Metaverse» zum Sammelbegriff wird.

Es gibt hier viele verschiedene Konzepte und Anwendungsbereiche, die unterschiedliche Zielgruppen und Funktionalitäten haben. Es gibt beispielsweise immersive, virtuelle 3D-Welten, in die der Nutzer mithilfe eines Avatars eintauchen kann und mit der digitalen Welt verschmilzt. Dies wird als Virtual Reality bezeichnet. Ausserdem existieren augmented/mixed reality Angebote, die die reale und digitale Welt verbinden.

Besonders die Firma Meta (ehemals Facebook) ist sehr aktiv in der Verknüpfung von Social Media und virtueller Reality, indem sie dem Nutzer in ihrem «Metaverse» auch ermöglichen, sich mit Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen oder Fremden in einem virtuellen Raum zu treffen, sich auszutauschen oder Inhalte zu teilen. Die generelle Frage lautet, wer schafft es, dass in seinem Metaverse die Massen erreicht werden können. Gleichzeitig engagieren sich natürlich viele Gaminganbieter wie z.B. Epic Games im Bereich der virtuellen Welten und bringen neue Spiele auf den Markt, die dem Konsumenten eine Virtual Reality Erfahrung anbieten. Es zeichnet sich allerdings auch hier bereits eine enorme Kommerzialisierung ab, die beispielsweise auch mit einer Verschmelzung des Metaverses mit Streamingplattformen wie Netflix oder Disney+ auf eine weitere Ebene angehoben werden könnte.

Letztendlich geht es um die Suche nach einer neuen Anwendung, die möglichst vieles bis alles verbindet. Wer es schafft im Bereich Metaverse einen Ort zu kreieren, über den möglichst viele andere Orte (Anwendungen, Lebensbereiche, etc.) erreicht werden können, wird die Nase vorne haben. Es muss allerdings noch das gefunden werden, was heute die Windows-Oberfläche, der App-Store oder das Smartphone darstellen. Die Idee der Everything App, wie sie etwa Elon Musk mit dem Projekt X sucht oder das chinesische WeChat bereits antizipiert, [3] könnten wegweisend sein auch für das Metaverse.

Im Bereich Metaverse gibt es aber auch beispielsweise Akteure und Plattformen, wie Decentraland oder Sandbox, bei denen virtuelle Welten mit den Themen Eigentum und Investitionen verknüpft werden. Es können Ländereien oder Gegenstände erworben, sowie auch eigene Kreationen gebildet werden. Hier werden neue Begriffe wie NFT [4] relevant und die Blockchain als Technologie verbunden mit der Vision der Dezentralität liegen dahinter.

Blockchain

Die Buzzwords Kryptowährung, Coins oder NFTs werden heute zahlreich verwendet, gern auch in Zusammenhang mit dem Metaverse. Dabei sind diese nur die Anwendungen einer besonderen Entwicklung. Denn das zukunftsweisende Potential liegt im Kern, in der dahinterstehenden technologischen Neuerung – der Blockchain.

Eine Blockchain ist vereinfacht verstanden ein gewaltiger Datensatz eingeteilt in Blocks, welche chronologisch und additiv angeordnet eine Kette bilden (chain). In den Blocks werden Informationen über die Aktivitäten auf einer Kette kryptografisch verschlüsselt archiviert. Die in Blöcken abgelegten Informationen können aufgrund ihrer Verschlüsselung und der chronologischen Anordnung der Blöcke prinzipiell nicht nachträglich verändert werden. Des Weiteren liegt diese ganze Historie von Datensätzen nicht auf einem oder wenigen Servern, sondern auf unzählig vielen weltweit: die Teilnehmer einer Blockchain betreiben sogenannte Nodes, einfach gesagt lokale Speicher, auf denen sie zu jeder Zeit eine 100% identische Kopie der archivierten Informationen besitzen. Es wird von einer hohen Dezentralität gesprochen. Diese Dezentralität bewirkt, dass eine hohe Manipulationssicherheit existiert, da kein Akteur (z.B. die Regierung eines Staats) die Aktivität des besagten Netzwerks stoppen oder beeinflussen kann. So kann beispielsweise bei einer Manipulation einer Datei mithilfe aller anderen sonst identischen Datensätze bewiesen werden, dass dieser eine Datensatz missbraucht wurde. Der abweichende Datensatz wird daraufhin ausgeschlossen und nur die anderen, im gesamten Netzwerk verteilten, korrekten und übereinstimmenden Sätze werden behalten. Diese Absicherung gegen Kompromittierung, die Dezentralität einer Blockchain ist eine der Besonderheit der neuen Technologie.

Ausserdem gibt es, zusammenhängend mit der Dezentralität, auch keine zwischengeschaltete Instanz, der der Nutzer vertrauen muss, dass alle Informationen oder Aktivitäten korrekt ausgeführt werden. Da es bereits tausende von Nodes gibt und prinzipiell jeder einen Node betreiben kann, gibt es faktisch keinen Einzelakteur, der die Funktionsweisen der Blockchain kontrolliert und betreibt. 

Die Anwendungen auf einer Blockchain sind codiert, das bedeutet, es gibt keinen menschlichen Akteur, der zum Beispiel einen Transfer manuell auslöst und ausführt. Ein Portal in dem Nutzer Geld an andere Nutzer schicken können beispielsweise ist als mathematische Codierung auf die Blockchain «geschrieben»; Anwendungen sind im Open-Source-Format programmiert, sodass jede Person den dahinterliegenden Code betrachten und prüfen könnte. Die Prozesse verlaufen strikt nach mathematischen Regeln, sodass die Aktion ausgeführt wird, vorausgesetzte alle Schritte sind korrekt gegangen worden. Wird etwas entgegen den im Code vorliegenden Regeln beauftragt, wird die Aktion schlicht nicht ausgeführt. So ist auch hier einer Kompromittierung entgegengewirkt. Häufig werden Kryptowährung und Blockchain fälschlicherweise synonym verwendet. Während Blockchains vereinfacht Datensätze darstellen, sind Kryptowährungen digitale, dezentrale Währungen einer Blockchain, die für die Interaktionen auf der Blockchain genutzt werden, zum Beispiel, um Transaktionen auszuführen. Kryptowährungen wie Eth (der Blockchain Ethereum) oder Bitcoin (der Blockchain Bitcoin) können innerhalb des jeweiligen Netzwerkes zwischen z.B. Nutzer ausgetauscht werden und dann in Tauschbörsen wie Coinbase in „reale“ Währungen gewechselt werden ($, CHF, € etc.).

Um noch tiefer in die Funktionsweisen, Vorteile und Nachteile der Blockchain-Technologie und Kryptowährungen einzusteigen, wird hierzu demnächst ein Folgeartikel erscheinen.

Sophie Voß und Urs Vögeli



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Kommentare: 1
  • #1

    Monika Imhof-Dorn (Freitag, 02 Dezember 2022 11:59)

    Guten Tag SIGA's
    Der Text zum Konzept Blockchain ist so gut geschrieben, dass ich mir nun ein Bild machen kann davon.
    Gerne lese ich Eure Texte.
    Freundliche Grüsse
    Monika Imhof-Dorn