Juni 2024
Am 1. Januar 2024 expandierte BRICS, ein Zusammenschluss von Schwellen- und Entwicklungsländern, in einem historischen Schritt von fünf auf zehn Mitglieder. Diese Vergrösserung sowie andere Geschehnisse haben das Profil von BRICS weiter gesteigert, wobei sich BRICS mehr und mehr als Anführer der «globalen Mehrheit» in einer neuen multipolaren Weltordnung sieht. Ende Mai 2024 nahm das Swiss Institute for Global Affairs (SIGA) am BRICS Academic Forum in der russischen Hauptstadt Moskau teil, um besser zu verstehen, in was für eine Richtung BRICS sich entwickelt und was für geopolitische Auswirkungen diese haben könnte.
Standbild eines Ankündigungsvideos des BRICS Academic Forums mit den als Moskau City bekannten Hochhäusern der russischen Hauptstadt im Hintergrund (Quelle: https://t.me/pokoleniebrics/356)
BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China, und Südafrika. Die Gruppe, die ursprünglich nur die ersten vier Länder umfasste, entstand im Jahre 2009 mit dem Hauptzweck in globalen Wirtschaftsangelegenheiten zu kooperieren und den Status der globalen Finanzinstitutionen zu ändern, in welchen die genannten Länder trotzt ihres wirtschaftlichen Gewichts nur limitiert Einfluss hatten.
Während die Zahl von BRICS-Mitgliedsstaaten nach der Hinzufügung von Südafrika im Jahre 2010 für mehr als ein Jahrzehnt gleich blieb, kündigte BRICS im Sommer 2023 die formelle Einladung von sechs weiteren Ländern an. Diese sechs Ländern waren Ägypten, Äthiopien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran, und Argentinien. Während eine signifikanten Verschiebung in Argentiniens Politik dazu führte, dass die Ende 2023 neu gewählte argentinische Regierung die BRICS-Anschlusspläne des Landes zurückzog, bevor sie in Kraft traten, heisste der russische Präsident Wladimir W. Putin die anderen fünf Länder am 1. Januar 2024 als neue «Vollmitglieder» der Gruppe willkommen. [1] Er tat dies, da Russland Anfang 2024 den jährliche rotierenden Vorsitz von BRICS übernahm, für den Russland das Motto «Stärkung von Multilaterismus für gerechte globale Entwicklung und Sicherheit» wählte.
Wie BRICS funktioniert
Um diese Agenda und die neu vergrösserte BRICS-Gruppe weiter zu bringen, plant Russland während seines derzeitigen Vorsitzes im Jahre 2024 über 200 Veranstaltungen. Diese Veranstaltungen beinhalten unter anderem Treffen von Ministern für Wirtschaft, Handel, Industrie, Gesundheit, Bildung, und Tourismus jedoch auch zahlreiche weitere Formate, die beispielsweise von einem Treffen von Direktoren von Weltraumagenturen bis zu einem BRICS Backwettbewerb reichen. Dies zeigt, wie breit die von BRICS diskutierten Themen gefächert sind und die zahlreichen, manchmal mehr, manchmal weniger formellen Formate der Gruppe.
Der Höhepunkt von Russlands derzeitigem BRICS-Vorsitz soll der vom 22. bis 24. Oktober 2024 geplante BRICS-Gipfel in der russischen Stadt Kazan werden, wo BRICS Staatsoberhäupter voraussichtlich neue Entscheidungen und Pläne für BRICS treffen und ankündigen werden.
In Anlehnung an das Bild der Besteigung von Berggipfeln haben alle BRICS-Länder BRICS-Sherpas [2] und -Sous-Sherpas, deren Aufgabe es ist, diese Länder zu neuen Höhen zu führen. Diese BRICS-Sherpas sind hochrangige Beamte von BRICS-Ländern, was ein Zeichen für die Wichtigkeit ist, die diese Länder BRICS und dessen Zukunft beimessen.
Die BRICS-Sherpas und -Sous-Sherpas erhalten unter anderem auch Vorschläge und Informationen von anderen BRICS-Formaten, die sie dann BRICS-Anführern weiterleiten. Ein Beispiel sind Empfehlungen des BRICS Academic Forum, dessen Zweck es ist «Ideen zu Anführern zu bringen», um die Worte der russischen Gastgeber des letzten solchen Forums zu verwenden, welches zwischen dem 22. und 24. Mai 2024 in der russischen Hauptstadt Moskau abgehalten worden war.
Pawel Knyasew, ein Botschafter des russischen Aussenministeriums und einer von Russlands BRICS-Sous-Sherpas, nimmt die schriftlichen Empfehlungen des BRICS Academic Forums in Moskau in Empfang (Franz J. Marty, 24. Mai 2024)
Das BRICS Academic Forum brachte zahlreiche Delegierte von BRICS-Staaten sowie einige weitere Gäste zusammen, die eine Reihe von Themen — von der Rolle von BRICS im globalen Handel und Politik, zu den Auswirkungen von westlichen Sanktionen auf die Weltwirtschaft, über Energie bis hin zu künstlicher Intelligenz, um nur einige zu nennen — besprachen. Die Atmosphäre des Forums zeigte, dass die BRICS-Staaten, alte wie neue, generell enthusiastisch sind und die Gruppe, wie einige es beschrieben, als «die Organisation der Zukunft» in einer neuen multipolaren Weltordnung sehen.
Während des Forums wurde jedoch ebenfalls klar, dass zahlreiche Punkte, inklusive Kernanliegen, weiterhin schwierig umzusetzen bleiben und dass neue Mitglieder ungleichmässig vertreten waren, was bedeutet, dass abzuwarten bleibt, wie die neuen Mitglieder und anfällige weitere Kandidaten sich in BRICS integrieren.
Schöne neue Welt
Eine von den meisten Delegierten des BRICS Academic Forums in Moskau geäusserte Ansicht war, dass es eine «neue Weltordnung» gäbe, in der BRICS eine «neue Vision von internationaler Politik» repräsentiere, um die Worte eines Delegierten eines neuen Mitgliedsstaates zu verwenden. Grundsteine dieser neuen Ordnung, die von allen Delegierten des BRICS Academic Forums erwähnt wurden, sind Multilateralismus, Respekt für nationale Souveränität, und ein auf Konsens zwischen allen Mitgliedern beruhender Entscheidmechanismus, in welchem jedes Mitglied gleichberechtigt sei.
Angesichts der neuen geopolitischen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen war es wenig überraschend, dass russische Vertreter diese «neue Weltordnung» teilweise mit starken Worten mit der alten Ordnung kontrastierten, welche gemäss russischen Aussagen angeblich durch unangebrachten U.S.-amerikanisches Diktat und Sanktionen geprägt sei. Während Delegierte von anderen Ländern weniger konfrontierend waren und oft keine Verweise zu den Vereinigten Staaten von Amerika machten, sprachen auch sie sich für eine neue Ordnung aus, die nicht mehr von westlichen Ländern dominiert sein solle.
Dies gesagt unterstrichen Delegierte, dass BRICS weder gegen den Westen noch sonst jemanden gerichtet sei noch vorhabe, etablierte internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen zu ersetzen; vielmehr sähe die Gruppe ihre Funktion darin, Alternativen zu bieten, die zu einer Evolution — nicht Revolution — der Weltordnung führen sollen.
Ein gemeinsamer Nenner am Forum und in BRICS im Allgemeinen ist, dass der sogenannte «globale Süden» oder die «globale Mehrheit», die in der Vergangenheit marginalisiert worden war, die G7 (die Gruppe der sieben Staaten, die bisher mehrheitlich die Weltwirtschaft bestimmt hatten, namentlich die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Japan, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, und Italien) bereits überholt hat und daher eine grössere Rolle spielen sollte. Während genaue Zahlen je nach Quelle variieren, beheimatete die expandierte BRICS Gruppe per 2022 in der Tat ungefähr 46% der Weltbevölkerung (im Gegensatz zu weniger als 10% in G7 Staaten) und hatte einen Anteil von etwas über einem Drittel (35.6%) der Summe der Bruttoinlandsprodukte aller Länder der Welt in diesem Jahr, was bereits den Anteil der G7 (31.6%) übertrifft, wobei erwartet wird, dass sich dies weiter zugunsten von BRICS entwickeln wird. [3]
Falls die Vision von einigen BRICS-Delegierten, die erklärten, dass eine Reihe weiterer Länder sich BRICS anschliessen wollen [4], wahr werden sollte, könnte BRICS ein nie zuvor da gewesener Block von nicht-westlichen Ländern werden, der nicht nur wegen der schieren Grösse der Bevölkerungen und Volkswirtschaften seiner Mitglieder, sondern auch aufgrund des Anteils an natürlichen Ressourcen in solchen Ländern, gar einen noch grösseren Einfluss auf den Welthandel und Versorgungsketten von Ländern weltweit haben könnte als die derzeitige BRICS-Gruppe.
Schwierigkeiten
Ob ein solches Szenario Wirklichkeit werden wird, bleibt jedoch abzuwarten. Währen die Integration der neuen BRICS-Mitglieder am Forum einmal als «reibungslos», «harmonisch» und als Erfolg
beschrieben wurde und die iranischen und äthiopischen Delegationen sehr aktiv und positiv gestimmt waren, waren die anderen drei neuen Mitglieder mehrheitlich abwesend. Soweit ersichtlich waren
die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten nur durch jeweils einen Redner vertreten und es war offenbar nur ein Teilnehmer von Saudi-Arabien anwesend, der nur an einem der drei Tage des Forums vor Ort war. Diese Länder nahmen
zudem offenbar auch nicht an den Sitzungen des BRICS Think Tanks Rates teil, in welchem BRICS-Delegierte hinter geschlossenen Türen die genauen Empfehlungen des BRICS Academic Forums an
BRICS-Staatsoberhäupter aushandelten. Die genannten Länder waren ebenfalls weder an der Pressekonferenz noch an der formellen Abschlussveranstaltung des Forums vertreten.
Abschlussveranstaltung des BRICS Academic Forums in Moskau mit Vertretern von (von links nach rechts) Russland, Brasilien, China, Äthiopien, Indien, Iran, und Südafrika; abwesend waren die neuen BRICS-Mitglieder Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, und Saudi-Arabien (Franz J. Marty, 24. Mai 2024)
Was dieser offenbare Mangel an Vertretung einer Mehrheit der neuen BRICS-Länder am BRICS Academic Forum bedeutet, ist schwierig zu bestimmen. Während eine potentielle Erklärung ist, dass Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, und Ägypten allenfalls nicht ganz so interessiert in BRICS sein könnten, ist eine andere Möglichkeit, dass diese Länder, umso mehr angesichts der hohen Anzahl von BRICS-Veranstaltungen, entschieden haben, nur selektiv an BRICS-Veranstaltungen teilzunehmen und das BRICS Academic Forum auszulassen.
Letzteres wäre unter anderem durch den Umstand unterstützt, dass Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate an einem Treffen von BRICS-Aussenministern am 10. und 11. Juni 2024 sowie am Anfang 2024 stattgefundenen Treffen von BRICS-Sherpas und -Sous-Sherpas teilgenommen haben; dass Ägypten im Februar 2024 ein BRICS-Treffen zum Welthandel mit Getreide veranstaltete; und dass die staatliche Nachrichtenagentur der Vereinigten Arabischen Emirate am 2. Juni 2024 die Abhaltung des ersten Treffens des BRICS Steering Committees der Vereinigten Arabischen Emirate anpries, eines nationalen Formates, in welchem Minister und hochrangige Beamte der Emirate die Integration in BRICS besprechen.
Der Fall von Saudi-Arabien ist demgegenüber spezieller und von mehr Fragezeichen betroffen. Während einige Beobachter am BRICS Academic Forum spekulierten, dass Saudi-Arabien sich allenfalls auf Veranstaltungen konzentriert, die auf Energie fokussieren, und deshalb das BRICS Academic Forum ausgelassen haben könnte, ist zu erwähnen, dass Saudi-Arabien offenbar auch am obengenannten BRICS-Sherpa und -Sous-Sherpa Treffen abwesend war. Der saudische Aussenminister Faisal bin Farhan bin Abdullah war dann am 10. und 11. Juni 2024 zwar am Austragungsort des Treffens von BRICS-Aussenministern in Nischni Nowgorod in Russland, fehlte jedoch auf dem offiziellen Photo der BRICS-Aussenminister an dieser Veranstaltung, die auch zusätzliche Treffen mit hochrangigen Vertretern von nicht-BRICS-Staaten beinhaltete. Ein saudisches Pressecommuniqué erklärte bezüglich dieser Reise des saudischen Aussenministers zudem, dass das Königreich am Treffen in Nischni Nowgorod als «ein Land teilnehme, dass eingeladen wurde, sich der [BRICS-]Gruppe anzuschliessen». Da saudische Beamte Anfang 2024 angegeben hatten, dass sich das Königreich noch nicht definitiv entschieden hätte, ob es ein BRICS-Mitglied werden wolle oder nicht, und es seitdem zu keiner diesbezügliche Klärung kam, wirft das Vorgenannte weiterhin Fragen über die saudische Mitgliedschaft in BRICS auf.
Angesichts all des Gesagten muss wohl der BRICS-Gipfel in Kazan abgewartet werden, um besser analysieren zu können, bis zu welchem Grade sich neue BRICS-Mitgliedsstaaten in die Gruppe integriert haben und wie aktiv diese in der Gruppe sind — was wiederum Einfluss haben wird, ob und wann sich neue Mitglieder BRICS anschliessen sollten.
Eine andere Schwierigkeit ist, dass die Unterschiede und Differenzen der BRICS-Staaten in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zusammen mit der strikten Anwendung des Prinzips des einstimmigen Konsensus das Erreichen von spezifischen Resultaten nach wie vor alles andere als einfach machen. Ein Beispiel dafür sind Bemühungen von BRICS, alternative Wege zur Begleichung von internationalen Zahlungen bereitzustellen, die im Gegensatz zu gemeinhin benutzten derzeitigen Arrangements nicht auf dem U.S. Dollar basieren und nicht westlich dominiert sein sollen. Während BRICS-Ländern sich im Prinzip einig sind, solche Alternativen zu schaffen, und dies beispielsweise in der Deklaration des letzten BRICS-Gipfels im August 2023 in Südafrika als Priorität unterstrichen worden war, wiesen Diskussionen am BRICS Academic Forum in Moskau im Mai 2024 darauf hin, dass das Finden einer Lösung, wohl unter anderem wegen politischer Differenzen unter BRICS-Ländern, schwierig bleibt.
Verschiedene Redner gaben während des Forums an, dass Bemühungen, mehr Zahlungen zwischen BRICS-Ländern in lokalen BRICS-Währungen anstatt in U.S. Dollar abzuwickeln positiv seien und bereits gewisse Resultate erzielt hätten, diese jedoch nicht vermögen würden, das Problem zu lösen, und höchstens vorübergehende Optionen seien. Dies gälte umso mehr, als dass ungleiche Handelsbilanzen zwischen BRICS-Staaten dazu führen würden, dass gewisse BRICS-Staaten Fremdwährungen anhäufen würden, die sie nicht einfach verwenden könnten. Ein Beispiel dafür ist, dass die Abwicklung von gewissen Handelsgeschäften zwischen Russland und Indien in indischen Rupien bereits darin resultierte, dass Russland einen Überschuss an indischen Rupien hat, den es nicht einfach anderweitig einsetzen kann. Und während einige Teilnehmer des BRICS Academic Forums über eine gemeinsame BRICS-Währung als potentielle Lösung sprachen, beschrieben andere die Schaffung einer solchen Währung als «praktisch unmöglich». Dementsprechend räumten Delegierte am Forum ein, dass das Kreieren von neuen Alternativen zur Abwicklung von internationalen Zahlungen schwierig bleibt.
Solche Differenzen und das Festhalten am Konsensprinzip führten generell dazu, dass Delegierte die geschlossenen Sitzungen zur Formulierung von Empfehlungen für den BRICS-Gipfel als «langwierig» bezeichneten und dass diese «hitzige Diskussionen» und gar «Drohungen, den Raum zu verlassen» beinhaltet hätten. Nichtsdestotrotz unterstrichen alle Delegierten, dass die Unterschiedlichkeit von BRICS-Ländern als Stärke gesehen werden sollte und dass trotz mannigfaltiger Differenzen Übereinstimmungen gefunden werden können und werden.
Dass das Finden von solchen Kompromissen oft mit Abstrichen in Spezifität einher geht oder detaillierter Vereinbarungen regelmässig nur über nicht kontroverse, einfachere, und weniger signifikante Themen gemacht werden [5], wird selten ausgesprochen, ist jedoch offensichtlich. Dies zeigt sich auch aus dem Umstand, dass BRICS betreffend der Revision von Stimmrechten im Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zu Gunsten von BRICS — was eines der wenigen konkreten Hauptanliegen von BRICS seit dessen Etablierung im Jahre 2009 ist — bisher nur sehr bescheidene Resultate erzielen konnte und dass die Etablierung von alternativen Institutionen, namentlich des Contingent Reserves Arrangements (einer BRICS-Alternative zum internationalen Währungsfonds) und der New Development Bank (einer BRICS-Alternative zur Weltbank), obwohl dies bemerkenswert war, fehlende Fortschritte an ersterer Front nicht aufzuwiegen vermag. Um fair zu sein, muss diesbezüglich erwähnt werden, dass solche Probleme nicht nur BRICS sondern wohl fast alle grösseren und breiteren internationalen Organisationen und Foren plagen.
Zukunft von BRICS
Angesichts all des Gesagten bleibt daher abzuwarten, wie sich BRICS weiterentwickeln wird. Dies ist umso mehr der Fall als keine Einigkeit darüber besteht, ob und falls ja wie BRICS von der derzeitigen Form, die teilweise als flexibler «Club-Mechanismus» beschrieben wird zu einer agileren und schlagkräftigeren Organisation geformt werden soll. Während einige sich für solche Schritte (zum Beispiel für ein strategisches BRICS-Manifest, die Schaffung von BRICS-Institutionen wie einem BRICS-Sekretariat, die bisher nicht existieren, oder gar einer Form eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes) aussprechen, werden solche Dinge bisher kaum und wenn dann nur oberflächlich diskutiert.
Während eine der Empfehlungen des letzten BRICS Academic Forums, umgehend eine strategischere BRICS Roadmap zu etablieren, dies allenfalls ändern könnte, war im Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes, nicht klar, was eine solche Roadmap umfassen würde und ob und bis zu welchem Grade diese radikal anders wäre als vergangenen Hinweise auf strategische Roadmaps, die BRICS nicht fundamental veränderten (siehe zum Beispiel diesen Bericht aus dem Jahre 2013).
Da die Ankündigung der historischen Expansion von BRICS im vergangenen August schnell geschah und viele überraschte, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass weitere grundlegende Entwicklungen von BRICS in ähnlicher Weise und ohne grosse Vorwarnung geschehen könnten.
Selbst wenn es zu keinen solchen fundamentalen Änderungen kommen und BRICS mehrheitlich wie in den letzten 15 Jahren arbeiten sollte, hat die Gruppe bereits jetzt einen unbestrittenen Einfluss auf diverse Aspekte des Welthandels und internationaler Politik. Dementsprechend und insbesondere da Schwergewichte wie Russland und China sich nach wie vor stark dafür aussprechen, BRICS gar noch relevanter zu machen, sowie dass ein Teilnehmer des BRICS Academic Forums die Gruppe als viel energetischer als vor zehn Jahren beschrieb, ist die Frage weniger ob, sondern in welchem Grade BRICS die Zukunft beeinflussen wird — und nicht nur für BRICS-Staaten, sondern auch für andere Länder.
Franz J. Marty
[1] Während teilweise vorgeschlagen wurde, die vergrösserte Gruppe BRICS Plus zu nennen und dies manchmal auch getan wird, verwendete am BRICS Academic Forum Ende Mai 2024 praktisch niemand diesen Begriff und es wurde vielmehr weiter schlicht auf BRICS verwiesen, obwohl das Akronym die Zusammensetzung der Gruppe nicht mehr genau wiedergibt. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu bemerken, dass der Begriff BRICS Plus Verwirrung stiften kann, da er in der Vergangenheit und teilweise nach wie vor für eine Kooperationsplattform zwischen BRICS und nicht-BRICS Staaten verwendet wurde und wird.
[2] Sherpas sind eine in Nepal und Tibet beheimatete Ethnie. Aufgrund der ausserordentlichen Bergführerfähigkeiten vieler Sherpas wurde der Begriff nicht nur zum Synonym von Bergführern im Himalaya, sondern auch zur Metapher für jemanden, der jemandem hilft, neue Höhen zu erreichen.
[3] Die genannten Zahlen stammen aus «Expansion of BRICS: what are the potential consequences for the global economy?», Bulletin de la Banque de France, January-February 2024 (https://www.banque-france.fr/en/publications-and-statistics/publications/expansion-brics-what-are-potential-consequences-global-economy).
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Vergrösserung von BRICS diese Statistik nur leicht verändert hat, da der Anteil von BRICS an der Weltbevölkerung und -wirtschaft nach wie vor von den grössten alten Mitgliedern, insbesondere China und Indien, bestimmt wird.
[4] Wie viele Länder einen Anschluss an BRICS in Betracht ziehen, ist nicht einfach zu bestimmen. Verschiedene Quellen geben Zahlen zwischen 15 und 40 Ländern an. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass es oft schwierig ist zu bestimmen, ob die Aussagen von Vertretern von nicht-BRICS-Ländern über einen allfälligen BRICS-Anschluss konkrete definitive Pläne ausdrücken oder eher ein vages Interesse an der Auslotung von Optionen darstellen. Dies ergibt sich auch aus einem Artikel der russischen Zeitung Iswestija im Nachgang zum Treffen von BRICS-Aussenministern am 10. und 11. Juni 2024. Während Iswestija über eine Liste von 28 BRICS-Kandidatenländern (29, wenn man Palästina, welches nur von einigen Ländern anerkannt wird, mitzählt) berichtete, gab die Zeitung ebenfalls an, dass nicht alle diese Länder ein offizielles Gesuch auf BRICS-Mitgliedschaft gestellt hätten und es noch nicht klar sei, ob, wann, und in welcher Form solche Länder sich BRICS anschliessen würden. Gemäss der Iswestija vorliegenden Liste handelt es sich bei den genannten Ländern um: Algerien, Äquatorial-Guinea, Aserbaidschan, Bangladesh, Bahrain, Bolivien, Eritrea, Honduras, Indonesien, Kasachstan, Kuba, Kuwait, Marokko, Nigeria, Nicaragua, Palästina, Pakistan, Senegal, Sri Lanka, Süd-Sudan, Syrien, Thailand, Tschad, Türkei, Uganda, Venezuela, Vietnam, Weissrussland, und Zimbabwe. (https://iz.ru/1712179/anastasiia-kostina/kandidatskii-maksimum-nazvany-vse-pretendenty-na-prisoedinenie-k-briks)
[5] Beispiele für solche unumstrittene Themen vom letzten BRICS Academic Forums beinhalteten das Zusammenlegen von statistischen Daten und Indexen, Bemühungen, Tourismus zwischen BRICS-Staaten zu fördern, sowie gemeinsame Recherche und Normen betreffen Luftqualität in Städten in BRICS-Staaten.
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