Fakten und Narrative
Die geopolitische Wirkung des Gipfeltreffens der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) vom 31. August bis zum 1. September 2025 und der Militärparade der chinesischen Volksbefreiungsarmee am 3.
September 2025 zeigt sich in der Inszenierung selbst. Dass die internationale Presse über diese Veranstaltungen berichtet, sich wundert, enerviert, spekuliert oder ärgert ist bereits Teil der
erhofften Wirkung. Die Inszenierung ist dabei aber nicht nur plumpe Propaganda.
Dass sich mit BRICS und der SCO aufstrebende und selbstbewusste Länder international formieren, trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit strategisch zusammenstehen, ist Realität. Die
Anziehungskraft dieser Organisationen und Staatengruppen scheint gross zu sein. Auch dort werden neben ansprechenden Narrativen Fakten geschaffen; so etwa im Bereich Infrastrukturen, Geldpolitik
und internationale Zusammenarbeit. Das Auftreten des UNO-Generalsekretärs und das Zusammenkommen von verfeindeten Staaten in China sind bleibende Bilder, insbesondere wenn der Hauptadressat
dieser Botschaften nicht der politischen Westen ist, sondern der «Globale Süden».
Vielfalt als Stärke

Oft wird den Netzwerken um BRICS und SCO die Schlagkraft abgesprochen wegen ihrer Unterschiedlichkeit und politischen Konflikte, die die Mitgliedsstaaten untereinander haben. Dabei gilt es sich die Frage zu stellen, welche «Seite» das ansprechendere Bild abgibt. Auf der einen Seite haben wir die G7, die stärksten Wirtschaftsnationen der Welt. Die Gruppe der Grössten und Mächtigsten. Auf der anderen Seite haben wir BRICS mit seiner Vielfalt und Buntheit. Es ist nicht nur ein Zusammenkommen der Autokratien. Es sind fast alle Kontinente vertreten. Sie kommen zusammen trotz Konflikten und Differenzen. Diejenigen, die die Heterogenität und Uneinheitlichkeit dieser Länder stets als Schwäche auslegen, stärken damit aber nur deren Narrativ, welches an sich verlockender klingt und für die Welt attraktiver wirkt. Gleiches gilt auch für die SCO, gerade auch im direkten Vergleich mit der EU. Die EU betont geopolitisch stets das Zusammenstehen und die Einheit, obwohl die Mitgliedsländer sehr unterschiedlich sind und die Vielfalt gerade eine Stärke wäre. Das gibt ein Dilemma oder eine Reibung, die kaum produktiv aufzulösen ist. Die SCO macht es umgekehrt. Sie präsentieren ihre Vielfalt als uneinheitlicher Block, obwohl sie auf einer geostrategischen Ebene eine klarere einheitliche Strategie verfolgen und anstreben.
Chinesische Streitkräfte auf dem Vormarsch

Das gleiche Phänomen von Narrativität und Faktizität kann auch an der diesjährigen Militärparade in Peking beobachtet werden. Es ist viel Show und Pomp. Aber an sich kopiert China die Art und Weise seine Rüstung zu präsentieren vom Westen. Wer schon einmal an einer westlichen Rüstungsmesse oder an einer Parade in Paris war, sieht ähnliche Muster. Fakt ist aber auch, dass China mit grossen Schritten vorwärtsschreitet, technologisch und militärisch, und sich entsprechend inszeniert. Moderne Schiffe und Flugzeuge können sich sehen lassen und holen das amerikanische, mindestens das europäische Niveau ein. Die Verteidigungsarchitektur ist für die Zukunft aufgestellt, auch wenn in der Volksbefreiungsarmee immer noch Korruption vorkommt. Aber selbst im Westen muss man eingestehen, dass der Bereich Rüstung und Militär offenbar stets gefährdet ist durch solche und ähnliche Problematiken. Weiter können die Chinesen mit Masse, Effektivität und Rüstungsinfrastrukturen punkten, die in einem grösseren Krieg und Systemwettbewerb entscheidend sein können, wie etwa der Krieg in der Ukraine zeigt. Diese subtile Mischung aus Masse, Technologie und Strategie, aus verlockender Narrativität und Hard Power ist das, was wir nicht unterschätzen sollten.