Der Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) findet dieses Jahr zwischen dem 31. August und 1. September in Tianjin, China statt. An diesem Treffen werden unter anderem Wladimir Putin (RUS), Xi Jinping (CHN), Masoud Pezeshkian (IRN), Shebaz Sharif (PAK) und Narendra Modi (IND) erwartet. Mit Ausnahme Irans alles erklärte Atommächte und mit Ausnahme Pakistans alles führende BRICS-Länder, die mit losen und überlappenden Netzwerken von Staaten aktiv die Weltpolitik mitbestimmen und Alternativen definieren wollen. Zudem soll auch UNO-Generalsekretär António Guterres eintreffen.

Der neue Amerikanismus von Donald Trump hat den medialen Blick und die vermeintliche Weltöffentlichkeit komplett in seinen Bann gezogen. Seit einigen Jahren formieren sich jedoch unter dem Radar der Weltöffentlichkeit neue «nicht-westliche» Konstrukte, welche weltpolitische Akzente setzen. Unter dem Label BRICS und SCO haben sich aus dem sogenannten «Globalen Süden» Staaten gruppiert, die bei kritischen Infrastrukturen, Rohstoffen sowie Normen und Standards zunehmend den Ton angeben. Sie besetzen aktiv Themen wie neue Technologien, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit. Von diesen neuen Alternativen angezogen, sind es immer mehr Staaten aus dem globalen Süden, die sich diesen Bewegungen anschliessen. Dies gerade auch deswegen, weil diese Staaten zunehmend von den USA und dem Westen ignoriert oder mit Auflagen gemassregelt wurden.
Im nachfolgenden Venn-Diagramm des Swiss Institute for Global Affairs (SIGA) sind die wichtigsten Organisationen und Akteure zusammengefasst. Man sieht, dass um die BRICS- und SCO-Ecosphäre sich etliche Überlappungen und Verbindungen mit Organisationen und Staaten etabliert haben, die en passant auf gewissen Gebieten und Themen vereinigt geopolitische und ökonomische Ambitionen hegen und situativ vorantreiben. Viele dieser Institutionen und Verbünde sind im politischen Westen gänzlich unbekannt, sollten aber im Verbund nicht unterschätzt werden, z.B.:
- South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC)
- Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation (BIMSTEC)
- Collective Security Treaty Organization (CSTO)
- Eurasian Economic Union (EAEU)
- Organization of Turkic States (OTS)
- Gulf Cooperation Council (GCC)
China, Indien, Russland, Iran und Usbekistan scheinen die Karten äusserst gekonnt gemischt zu haben. Sie weisen die höchsten Überschneidungen auf. Aber auch Staaten wie Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Bangladesch oder Indonesien bringen sich in Position. Mit Weissrussland, Algerien und Türkei nähern sich diese Netzwerke auch geografisch Europa an und werden uns entsprechend herausfordern. So ist es nicht verwunderlich, wenn in Folge der US-Zolldiplomatie der Aussenhandel zwischen China und den SCO-Mitgliedsstaaten einen neuen Höchststand erreicht hat.
Gerade im Westen werden diese Entwicklungen rund um die BRICS-Staaten relativiert, verniedlicht und unterschätzt. Dies oft mit dem Argument, dass diese Länder untereinander verstritten sind, unterschiedliche Interessen verfolgen und dementsprechend sich letztlich neutralisieren. Dies beurteilen wir bei SIGA anders. Die internationalen Beziehungen, wie sie die BRICS- und SCO-Staaten pflegen und prägen, folgen nicht einem rationalen Ordnungsmuster. Diese neue Geopolitik orientiert sich am sogenannten Konstellationsdesign, das sich situativ in Opportunitäten begibt, aber dennoch einen strategischen Rahmen (vgl. Konvergenz) legt. Damit werden die eigenen Möglichkeiten maximiert und die langfristige Entwicklung spielerisch designt. So können China und Indien beispielsweise gleichzeitig Partner, Mitbewerber und Gegner sein. Dass dabei auch militärische Mittel und Konflikte eine neue Rolle spielen und eingesetzt werden, ist der Teil der multioptionalen und multivektoriellen Strategie und Machtpolitik.
Der SCO-Gipfel in China wird zeigen, wie in dieser «Ecosphären-Diplomatie» sich die Länder des globalen Südens in Szene setzen. Die SCO 2001 offiziell als eurasische Sicherheits- und Wirtschaftsorganisation gegründet, wird im Zuge der BRICS-Erweiterung und der Neugruppieren in der Weltpolitik neue Akzente setzen können und wollen. Der neue Amerikanismus wird diesem Ansinnen Auftrieb verleihen, auch wenn kurzfristig eine strategische Zurückhaltung opportun sein könnte. Es gilt den Gipfel in China abzuwarten, um zu sehen was für Signale der Shanghai-Spirit aussenden wird.