China kann sich gelassen und offen positionieren, während Europa aus lauter Panik und Hektik zur Getriebenen wird. Die Trump-Administration provoziert die Welt mit strategischer Wirkung und viel Kollateralschaden. China kann sich dabei als «Adult in the Room» auf der internationalen Bühne präsentieren. Vier Stationen seit Anfang 2025:
1. On the morning of Friday, March 28, Xi Jinping met with representatives of the international business community at the Great Hall of the People in BeijinG[1]
Mit dieser Einladung an westliche Chief Executive Officers (CEO) von international tätigen Unternehmen schafft es der chinesische Präsident Xi Jinping mindestens narrativ die Rolle des «Globalisten» zu betonen. In Zeiten, in denen sich die USA von der liberalen internationalen Ordnungstradition verabschieden, setzt sich Peking rhetorisch für die Stärkung des internationalen Handels und seiner Institutionen ein. Der Einladung folgten CEOs von Unternehmen, wie Pfizer, Blackstone, Siemens, Toyota, Samsung, Ikea oder Saudi Aramco[2].

Für eine Weltwirtschaft hatte sich Xi Jinping schon 2017 am WEF eingesetzt und dabei betont, dass China eine gestaltende Rolle einnehmen will. Es geht pathetisch um die «Community with Shared Future for Mankind». Nicht nur narrativ, sondern strategisch entwickelte China die Global Development Initiative (GDI), Global Security Initiative (GSI) sowie die Global Civilization Initiative (GCI) als umfassende chinesische Antwort auf die Herausforderungen der Welt. Obwohl am Volkskongress 2025 Xi betonte daran zu arbeiten, folgt diese Globalisierung 2.0 zugleich dem Prinzip einer «big doors open, but small doors remain closed» Doktrin. Damit sendet Xi Signale nach innen, auch in die Partei, und zugleich an die «internationale Welt». Damit schaffen sie möglicherweise genau den Mittelweg zwischen marktwirtschaftlicher Offenheit und inländischem Schutz, den der Westen inzwischen ebenfalls anstrebt.
2. SIGA-Besuch in Peking während Volkskongress Anfang März

Während dem Volkskongress Anfang März 2025 hatte SIGA in Peking die Möglichkeit, verschiedene Akteure zu treffen, so etwa auf der Schweizer Botschaft, Meetings mit Vertretern von chinesischen Think Tanks und der Shanghai Cooperation Organisation (SCO), sowie Institutionen aus Wirtschaft und Wissenschaft. Im Rahmen von Donald Trumps Aussen- und Handelspolitik dürfte die chinesische Umgarnung Europas und des globalen Südens neue Fahrt gewinnen. Das Narrativ der langen, tausendjährigen aussenpolitisch friedfertigen Geschichte Chinas wird stets betont. Am Swiss Institute for Global Affairs (SIGA) umschreiben wir diese Art von Aussenpolitik mit «zivilisatorischer Geopolitik». Gleichzeitig sehen im Inneren Chinas insbesondere Unternehmen und Wirtschaftsvertreter schnelle soziotechnologische Innovationen verbunden mit einem starken, rabiaten Markt. Diese Hybridität und Ambivalenz sind bemerkenswert, weil sie für den Westen kaum einzuordnen sind.

Die Hauptbotschaften der Partei an den sogenannten Two Sessions (Chinese People's Political Consultative Conference und und National People’s Congress), die jeweils gleichzeitig stattfinden, sind eindeutig. Die kommunistische Partei möchte nach innen und aussen Stabilität und Vertrauen ausstrahlen. Konkret heisst das gemäss mehreren Diskussionen und Interpretationen:
- Ein moderates aber stetiges Wirtschaftswachstum
- Ein neues Konzept heisse «new quality productive forces». Damit gemeint seine Investitionen in Bildung und Innovation konkret in folgenden Bereichen:
-
- KI-Talents und Emboddied Intelligence aka Robotik
- Nachhaltigkeit, E-Mobilität, Technologien, Green Transition, Batterien
- New Entertainment Business
- Digital Trade
- Tourismus und Silver Economy
- Untermauerung von Chinas Offenheit durch Zollreduktionen mit Partnern überall auf der Welt
- Rechtssicherheit für Business und Innovation
- Sie sprechen von einer Hybridökonomie: d.h. State-Owned Enterprises (SOE) und Private sind zusammen nötig, insbesondere um resilient zu sein
- Zwischen dem Westen und dem Globalem Süden existiere bereits ein neues Gleichgewicht mit China als Leader des Globalen Südens (wobei Indien sich ebenfalls als dieser Leader sieht und Russland ebenso eine starke Position hat).
3. Mitte Februar 2025 Traf Xi Chinas Wirtschaftselite
Chinas Präsident Xi Jinping hat sich mit zahlreichen Vorständen grosser chinesischer Unternehmen in der Grossen Halle des Volkes in Peking getroffen; unter anderem mit Ren Zhengfei (Huawei), Wang Chuanfu (BYD) oder auch mit dem einst geächteten Alibaba-Gründer Jack Ma[3].
Damit setzt Xi Jinping ein Zeichen der Stärkung und ein Zugeständnis für chinesisch international agierende Unternehmen (vgl. «Gesicht geben», 给面子). China versucht seit zehn Jahren den Balanceakt zwischen wirtschaftlicher Internationalisierung und der politischen Kontrolle über die Wirtschaftsentwicklung. Die «Made in China 2025» Strategie, welche China als Technologie-Superhub positionieren soll, ist vermutlich prominentestes Beispiel für Chinas Merkantilismus.

Im Kontext einer internen Wirtschaft, die mit einer Immobilienkrise zu kämpfen hat, eine Überschuldung in den Provinzen vorweist, mit schwachem Konsum sowie fehlenden Auslandsinvestitionen hadert, ist das Wirtschaftstreffen ein Zeichen der Regierung für Anerkennung der wirtschaftlichen Leistung. Es ist auch ein innenpolitisches Signal Xis für die Wichtigkeit für Fortschritt (vgl. Innovation und Technologien), Wohlstand und damit auch Sicherheit.
Diese Zusammenkunft ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Xi Jinping und seine Führung verstehen Zeichen zu setzen und es durchaus schaffen mittels symbolischer Deutungshoheit schleichend den Diskurs für sich zu gewinnen. Die nächste Etappe war die Einladung internationaler CEO (siehe oben).
4. Münchner Sicherheitskonferenz im Zeichen Chinas?
An der jährlich stattfinden Sicherheitskonferenz in München war der Fokus auf die USA und entsprechend haben die internationale Politik und Medien vornehmlich dies portraitiert. Unter dem Getöse des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance ist die Rede des chinesischen Aussenministers Wang Xi medial untergegangen. Dabei gab es einige interessante Beobachtungen[4]:
- China setzt sich in einer multipolaren Welt für Stabilität und Gleichheit ein. Damit will Peking Garant für internationale Gewissheit sein
- Garant für die Beruhigung sehen sie in den Elementen «Gleichbehandlung», Einhaltung einer «regelbasierten Ordnung» und «Offenheit und gegenseitigen Mehrwert».
- Damit schafft man günstige Voraussetzungen für eine beruhigte, produktive und effektive multipolare Welt.

Damit setzt sich China für eine Weltordnung ein, die eigentlich nach dem Zweiten Weltkrieg in Washington D.C. erfunden wurde. Inwiefern China selber die oben genannten drei Punkte praktiziert, ist fraglich, aber aktuell ist Peking eine narrative Alternative, die sich für Offenheit, Transparenz und Ordnung einsetzt. Damit können sie aus einer Zone des Komforts und der Lockerheit operieren.
Fazit: Chinas politische Ambitionen werden nicht gradlinig verfolgt. Es gibt vielmehr ein Kreisen um Themen, Inhalte und Fakten. Dabei verschieben sie normativ und zugleich real die internationalen Faltlinien und Optionen. Dies mit dem Ziel architektonische Grundlagen für eine China dominierte Weltordnung zu schaffen. Für den Westen und die strategische Ambition ist es wesentlich diese tektonischen Verschiebungen ernst zu nehmen.
Dr. Remo Reginold & Dr. Urs Vögeli
[1]: China's Xi urges global CEOs to protect trade as Trump tariffs loom, Reuters, 28.3.2025
[2]: Attendee list of meeting with President Xi on Mar,28, Pekinology 28.3.2025
[3]: Treffen mit Xi: Weshalb Alibaba und Jack Ma plötzlich wieder im Aufwind sind, Table Media, 18.2.2025
[4]: A Steadfast Constructive Force in a Changing World - Keynote Speech by H.E. Wang Yi at the 61st Munich Security Conference, Ministry of Foreign Affairs - The People’s Republic of China, 15.2.2025